Warum klassische Filter oft nicht reichen
Filterlisten sind im E-Commerce Standard: Preis, Verfügbarkeit, Marke oder Menge lassen sich schnell eingrenzen. Bei beratungsintensiven Sortimenten (z. B. Wein, Kosmetik, technische Variantenprodukte) bleibt jedoch ein Problem: Nutzerinnen und Nutzer kennen zwar ihre Präferenzen, aber nicht immer die passenden Fachbegriffe oder Kriterien, um über Filter zum richtigen Produkt zu gelangen.
Das Resultat sind lange Suchwege, Abbrüche oder eine Auswahl, die sich «irgendwie» richtig anfühlt – aber nicht sicher genug für einen Kaufentscheid. Genau hier setzt ein Smart Finder (auch Smart Filter genannt) an.
Was ist ein Smart Finder
Ein Smart Finder ist eine geführte Produktsuche, die Präferenzen in wenigen, verständlichen Schritten abfragt und daraus eine priorisierte Trefferliste generiert. Statt Nutzer in komplexe Filterlogik zu zwingen, übersetzt der Smart Finder menschliche Aussagen («leicht und frisch», «kräftig und ausgebaut») in strukturierte Kriterien.
Typische UX-Muster
- Geführte Auswahl (Wizard): wenige Fragen statt vieler Filteroptionen
- Progressive Verfeinerung: erst grob, dann präziser
- Transparenz: klare Begründung, warum ein Treffer vorgeschlagen wird
- Kombination mit Standardfiltern: Preis/Verfügbarkeit bleiben als harte Kriterien verfügbar
Use Case: Martel AG – Smart Filter für Wein
Für Martel AG (Weinhändler in der Deutschschweiz; B2B und B2C) erweitern wir die bestehende Filterliste und Suche im Shopware-6-Shop um einen Smart Finder. Das Ziel: eine Produktauswahl, die sich wie eine kurze Beratung anfühlt – besonders dann, wenn Kundinnen und Kunden nicht exakt wissen, wonach sie technisch suchen sollen.
„Kontinuierliches Umsatzwachstum mit dem E‑Shop – bei bester Rendite der Verkäufe über diesen Kanal. Unser bestes Pferd im Stall.“
— Martel AG, St. Gallen
Der entscheidende Unterschied im Wein-Kontext: Statt primär über Farbrichtung zu arbeiten, rücken wir die Rebsorte und Stilpräferenzen als Auswahlkriterien in den Vordergrund.
Die Methode: Ähnlichkeit als Abstand im Zahlenraum
Technisch modelliert der Smart Finder «Ähnlichkeit» als Nähe. Nähe lässt sich als Abstand in einem Zahlenraum beschreiben. Im einfachsten Fall ist das ein zweidimensionales Koordinatensystem; in weiteren Ausbaustufen können zusätzliche Dimensionen (z. B. Tannin, Aromatik, Trinkreife) ergänzt werden.
1) Stilmatrix (2D) als Startpunkt
Für Martel nutzen wir zum Start eine 2D-Stilmatrix mit zwei Achsen:
- X-Achse (1–10): Körper & Power (leicht bis schwer)
- Y-Achse (1–10): Struktur & Ausbau (sauer/frisch bis süss/ausgebaut)
Rebsorten werden in dieser Matrix verortet. Beispiele:
- Merlot: (7, 7)
- Pinot Noir: (5, 6)
2) Ranking über euklidische Distanz
Wählt der Nutzer eine Top-Rebsorte (oder einen Stilpunkt), berechnen wir die Distanz zu allen Weinen im Sortiment. Als Abstandsmass verwenden wir die euklidische Distanz:
d = sqrt((x_p – x_q)^2 + (y_p – y_q)^2)
Je kleiner d, desto näher liegt der Wein an der gewählten Präferenz – und desto höher erscheint er in der Trefferliste.
3) Praktische Erweiterungen (ohne Konzeptwechsel)
- Gewichtungen: bestimmte Achsen stärker berücksichtigen (z. B. Körper wichtiger als Ausbau)
- Mehrdimensionale Räume: zusätzliche Kriterien als weitere Dimensionen hinzufügen
- Hybridlogik: harte Filter (Preis/Verfügbarkeit) + weiches Ähnlichkeitsranking
- Erklärbarkeit: «Warum dieser Treffer» aus den gewählten Präferenzen ableiten
Datenbasis: Warum ein PIM den Unterschied macht
Ein Smart Finder ist nur so gut wie die Produktdaten. Damit Stilwerte, Rebsorten und Merkmale konsistent verfügbar sind, braucht es ein sauberes Datenmodell und klare Pflegeprozesse. In der Martel-Systemlandschaft bildet Akeneo PIM die zentrale Quelle für strukturierte Produktmerkmale, die im Shop genutzt werden.
Systemlandschaft und Integration (Martel)
| Baustein | Kurzbeschreibung |
|---|---|
| Shopware 6.4 CE | Frontend/Shop, Filterliste, Suche und Smart Finder UI |
| Akeneo PIM | Produktdaten, Attribute und Merkmalslogik (u. a. Rebsorte) |
| Abacus ERP | Prozess- und Integrationskern; Anbindung über individuelle REST-API |
| Smart-Finder-Engine | Distanzmodell, Ranking und Schnittstelle zur Ergebnisliste |
Umsetzung in der Praxis: Ein realistischer Projektfahrplan
- Zielbild: Welche Entscheidungen sollen Nutzer schneller treffen? Welche Präferenzachsen sind sinnvoll?
- Datenmodell: Attribute im PIM definieren (z. B. Rebsorte, Stilwerte), Pflegeverantwortung klären.
- UX-Prototyp: Fragen, Auswahl-UI, Ergebnisdarstellung und Transparenz („weil Sie … gewählt haben“).
- Implementieren: Smart Finder in Shopware einbetten; Daten aus PIM/ERP sauber versorgen.
- Messen: Suchabbrüche, Nutzung der Finder-Schritte, Add-to-Cart aus Finder-Treffern, Feedback aus dem Vertrieb.
Typische Stolpersteine und wie man sie vermeidet
- Unklare Attribute: Wenn Rebsorten/Attribute inkonsistent gepflegt sind, wird das Ranking unzuverlässig.
- Zu viele Fragen: Ein Smart Finder muss kurz bleiben; lieber 3–5 starke Schritte als 12 Detailfragen.
- Fehlende Erklärbarkeit: Nutzer sollten verstehen, warum ein Produkt vorgeschlagen wird.
- Keine Betriebslogik: Verantwortlichkeiten für Datenpflege und kontinuierliche Optimierung müssen geklärt sein.
Referenz: ähnlicher Smart Filter bei BB Trading
Ein vergleichbares Smart-Filter-Konzept ist bereits produktiv bei BB Trading im Einsatz. Diese Erfahrung reduziert Projektrisiko und beschleunigt die Umsetzung.